Rückblick auf ein Jahr Gewerkschaftsarbeit unter Corona-Bedingungen

Die Corona-Pandemie hat in den letzten Monaten alle Lebensbereiche beeinflusst – so auch unsere Gewerkschaftsarbeit. Mit diesem Bericht wollen wir ein Zwischenfazit ziehen, für Nicht-Mitglieder einen Einblick in unsere Arbeit geben und alle motivieren selbst aktiv zu werden.

Aufgrund der Pandemie-Situation veränderten sich die Arbeitsabläufe an unseren Arbeitsplätzen zum Teil erheblich. Diese Entwicklungen wirkten sich auch auf unsere gewerkschaftliche Tagesarbeit aus und veränderten unsere Arbeitsschwerpunkte. Die Frage nach adäquaten Gesundheitsschutzmaßnahmen wurde zu einer zentralen Frage. Auch die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (ausgelöst z.B. aufgrund eingeschränkter Kinderbetreuungsangebote) rückte in den Vordergrund. Neben dem Gesundheitsschutz wurde von der Mehrheit der Mitglieder eine erhöhte Arbeitsbelastung bzw. Arbeitsverdichtung thematisiert – vereinzelt jedoch auch fehlende Arbeit (Kurzarbeit) und damit weniger Lohn.

In den letzten Monaten waren viele unserer Mitglieder infolge der Corona-Pandemie in ihren Betrieben aktiv um gemeinsam mit ihren Kolleg*innen wirksame Gesundheitsschutzmaßnahmen einzufordern – sei es im Metallbetrieb, Mehrpersonenbüro, Wohnheim für Menschen mit Behinderung oder im Bildungsbereich. Einige Mitglieder wehrten sich erfolgreich gegen die steigende Arbeitsverdichtung in ihren Betrieben. Anderswo setzten Mitglieder der FAU Stuttgart zusammen mit ihren Kolleg*innen das Recht auf Home Office für die Belegschaft durch oder begleiteten Schlichtungsverfahren nach einer unrechtmäßigen Kündigung.

Die gewerkschaftliche Beratungsarbeit verlagerte sich tendenziell weg von der offiziellen monatlichen gewerkschaftlichen Beratungssprechstunde hin zu Einzelberatungen unter Kolleg*innen im Betrieb sowie im Bekanntenkreis und Beratungen für Mitglieder zu ihrer Arbeitssituation in der Pandemie. Dennoch wendeten sich auch weiterhin neue Leute an unser monatliches gewerkschaftliches Beratungsangebot. Hier berieten wir nicht nur bezogen auf die bisherige Situation am Arbeitsplatz, sondern auch verstärkt bezüglich Kurzarbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder neuer Jobmöglichkeiten – eine weitere pandemiebedingte Veränderung.

Unsere Möglichkeiten der rechtlichen Beratung vor Ort haben wir ausgebaut, indem wir zu vergünstigten Bedingungen eine Kooperation mit einer Stuttgarter Anwaltskanzlei geschlossen haben. Somit haben wir neben der anwaltlichen Beratung der FAU Region Süd eine zusätzliche Anlaufstelle für rechtliche Beratung, die persönliche und längerfristig begleitende Unterstützung anbieten kann.

Die Corona-Pandemie hatte auch auf unsere internen Organisationsabläufe Auswirkungen.

Als im März die ersten Kontaktbeschränkungen verordnet wurden, haben wir unsere Kommunikationskanäle sofort auf Online-Betrieb angepasst, auch dank der schnellen und professionellen Unterstützung durch die bundesweiten FAU-Admins. So konnten wir weiterhin Vollversammlungen und Sekretariatstreffen mit vielen Leuten sicher umsetzen. Die gewerkschaftliche Beratung haben wir ausgebaut: Seit Frühjahr sind wir nun auch durch eine gewerkschaftliche Telefonnummer erreichbar. Und für den informellen Austausch der Mitglieder wurde eine Messenger-Gruppe eingerichtet.

In der Phase niedriger Infektionszahlen im Sommer konnten wir in einer Vollversammlung mit Hygienekonzept im Stadtteilzentrum Gasparitsch die Neuwahlen unseres Gewerkschaftssekretariats durchführen. Und wir experimentierten mit einer Mischung aus physischen Treffen mit der Möglichkeit online teilzunehmen. So konnten wir auch Leute mit einbeziehen, die entweder wegen gesundheitlicher Bedenken oder langem Anfahrtsweg nicht zum Treffen kommen konnten bzw. wollten. Beim Syndikatsausflug im Sommer 2020 für Mitglieder, Kolleg*innen, Freund*innen und Interessierte wanderten wir zum Bärensee und grillten anschließend gemeinsam.

Gemeinsames Grillen, sich austauschen und entspannen beim Syndikatsausflug

Intern haben wir unsere Organisationsstrukturen in den letzten Monaten umstrukturiert, sie flexibler und effizienter gestaltet. Dies war unabhängig von der Corona-Pandemie längerfristig schon geplant. So haben wir eine neue Geschäftsordnung für den Ablauf der Vollversammlungen erarbeitet. Vollversammlungen finden nun nicht mehr monatlich, sondern nur noch alle 3 Monate statt. Alle wichtigen und strategischen Entscheidungen werden in diesem Rahmen weiterhin basisdemokratisch von den Mitgliedern getroffen. Das Sekretariat hat im Rahmen seiner festgelegten Entscheidungsleitlinien die Aufgabe, zwischen den Vollversammlungen die organisatorischen Aufgaben der Gewerkschaft zu erfüllen und legt in den Vollversammlungen Rechenschaft darüber ab.

Uns ermutigt und bestärkt, dass in Zeiten verstärkt wahrnehmbarer pandemiebedingter Vereinzelung und wachsender Ohnmachtsgefühle das Allgemeine Syndikat (FAU) Stuttgart weiterhin handlungsfähig ist und in den letzten Monaten stetig neue Mitglieder dazugewinnen konnte.

Ein weiterer wichtiger Baustein unserer Gewerkschaftsarbeit bildet die Solidarität mit gewerkschaftlich Kämpfenden – nicht nur innerhalb der FAU sondern weltweit. Hier konnten wir finanziell und durch Öffentlichkeitsarbeit mehrere gewerkschaftliche Kämpfe unterstützen, zum Beispiel den Streik der Fabrikarbeiter*innen bei Valencia im Frühjahr 2020 oder den Streik der Erntehelfer*innen in Bornheim im Mai.

Protestbrief an das spanische Generalkonsulat Stuttgart

Sehr gefreut hat uns, dass es in Heidelberg seit 2020 wieder ein Syndikat der FAU gibt. Gewerkschaftsaktive der FAU Stuttgart hatten sich im Winter letzten Jahres mit der Initiativgruppe getroffen und mit ihnen im Gespräch geklärt, was sie zur Syndikatsgründung an organisatorischen Grundlagen und gewerkschaftlichem Know-how benötigen. In den vergangenen Monaten bis zur Gründung standen wir immer wieder online und auch persönlich in Kontakt mit ihnen und haben Fragen geklärt, Konzeptentwürfe gemeinsam diskutiert und auch bei ersten praktischen Schritten der Gewerkschaftsarbeit vor Ort unterstützt.

Abschließend können wir feststellen, dass die Corona-Pandemie verdeutlicht hat, dass der Arbeitsplatz als Ort des Kampfes für Verbesserungen und Ort des Austauschs und der Solidarität deutlich weniger Einschränkungen unterlegen war als andere Bereiche, von politischen persönlichen Treffen bis zu kollektiven Aktionen im öffentlichen Raum.

Des weiteren hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig organisierte kämpferische und solidarische (Gewerkschafts-)Strukturen am Arbeitsplatz sind – nicht nur in prekären, schlecht bezahlten oder arbeitsintensiven Jobs, sondern in jeder Branche.

Schließlich war für uns einmal mehr erfahrbar, dass konkrete materielle Verbesserungen für uns Lohnabhängige möglich sind – wenn wir Lohnabhängigen uns gemeinsam organisieren und aktiv werden.

Freie Arbeiter*innen Union Stuttgart – Die kämpferische Gewerkschaft
März 2021

Online Demo zum Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse

Erster Mai mal anders. Statt auf der Straße haben wir dieses Jahr zum Tag der Arbeit unsere Demonstration online durchgeführt – via Facebook und Twitter. Deshalb haben wir über den Tag verteilt Bilder mit dem #1world1struggle von Interessierten und Mitgliedern mit folgenden Forderungen gepostet:

1) Für das Recht auf Quarantäne für alle ArbeiterInnen, die nicht in wesentlichen Diensten tätig sind.

2) Für menschenwürdige sanitäre Arbeitsbedingungen für alle Arbeiterinnen und Arbeiter.

3) Für das Recht auf Befriedigung der Grundbedürfnisse für alle.

4) Für die sofortige Aussetzung von Wasser-, Strom-, Kochgas-, Telefon- und Internetrechnungen.

5) Für die sofortige Aussetzung von Mieten.

Die Reichen sollen für die Krise bezahlen!

Die Demonstration stand dabei unter folgendem Aufruf:

Global May Day 2020

Weltweit stehen wir, die Lohnabhängigen, in Konkurrenz zueinander gesetzt, um die Mehrwertproduktion zu unterstützen. Unabhängig davon, wo wir leben, von unserem Geschlecht, unserer Nationalität, sind wir in den gleichen Kampf verwickelt, ob wir wollen oder nicht. Ob Budgetkürzungen im sozialen Bereich, Outsourcing, sinkende Löhne, Privatisierung, steigende Lebenshaltungskosten sowie Studiengebühren und die Zerstörung natürlicher Ressourcen sind nur einige der Symptome des globalen Wirtschaftssystems. Ein System, das auf Ausbeutung und Wettbewerb basiert, führt zur Kommerzialisierung aller Aspekte unseres Lebens. Wir leiden unter wachsendem Leistungsdruck, Trennung sowie unter der Entfremdung unserer Bedürfnisse und Menschen, mit denen wir arbeiten und leben. Sei es am Arbeitsplatz, an der Universität oder zunehmend auch schon in der Kindheit und Jugend. Die Logik der Marktwirtschaft und die entsprechenden nationalstaatlichen Strukturen erfordern, dass die Anpassung an das Diktat der Wettbewerbsfähigkeit und der Wertschöpfungsproduktion Vorrang vor der Entwicklung emanzipatorischer Fähigkeiten hat.

Wir wollen nicht einfach stören, wir wollen überwinden.

Angesichts des transnationalen Charakters des kapitalistischen Systems ist es notwendig, dass sich die Arbeiter auf globaler Ebene verbinden.

Durch die Vernetzung über Grenzen hinweg können die globalen Verflechtungen, die unsere lokalen Bedingungen prägen, sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus eröffnet sie neue Möglichkeiten und Handlungsspielräume im Kampf gegen Ausbeutung sowie prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Verhandlungsmacht der Arbeiterinnen und Arbeiter würde extrem zunehmen, wenn wir uns in der gleichen Wertschöpfungskette zusammenschließen würden.

Gerade in Zeiten von Nationalismus und Rassismus suchen wir den gemeinsamen Kampf und wehren uns dagegen, gegeneinander ausgespielt zu werden.

Für ein besseres Leben für alle – über alle Grenzen hinweg!

#1world1struggle

Zu Corona

Die Welt durchlebt eine schwerwiegende Epidemie von COVID-19 (Coronavirus), und wie von der Weltgesundheitsorganisation geleitet, sind soziale Distanz und Quarantäne die besten Mittel, um die Auswirkungen der Epidemie zu minimieren. Wie bei allen Krisen sind die ärmsten Arbeiter am stärksten betroffen. Viele Unternehmen zwingen die Arbeiterinnen und Arbeiter, weiter zu arbeiten, und verbieten daher das Recht der Arbeiterinnen und Arbeiter auf Quarantäne. Viele Arbeiter werden entlassen, Selbständige, Straßenverkäufer und andere Arbeiter sind ohne Einkommen. Menschen in Flüchtlingslagern und Obdachlose haben keinen Zugang zu minimalen sanitären Einrichtungen, um eine Virusinfektion zu verhindern.

Angesichts dieses Szenarios mehrerer Angriffe auf die Arbeiterklasse positionieren sich die unten aufgeführten Syndikate und Gewerkschaften, die mit dem Netzwerk “Global May Day” https://globalmayday.net/ verbunden sind, zu diesen neuen Entwicklungen und fordern Gewerkschaften auf, Maßnahmen zu ergreifen und eine weltweite Kampagne durchzuführen.

Global May Day 2020

Weltweit stehen wir, die Lohnabhängigen, in Konkurrenz zueinander gesetzt, um die Mehrwertproduktion zu unterstützen.

Wir wollen nicht einfach stören, wir wollen überwinden.

Angesichts des transnationalen Charakters des kapitalistischen Systems ist es notwendig, dass sich die Arbeiter auf globaler Ebene verbinden.

Gerade in Zeiten von Nationalismus und Rassismus suchen wir den gemeinsamen Kampf und wehren uns dagegen, gegeneinander ausgespielt zu werden.

Für ein besseres Leben für alle – über alle Grenzen hinweg!

#1world1struggle

FAU Stuttgart unterstützt unbefristeten Streik bei Productos Florida in Valencia

Seit dem 25. Februar sind die Arbeiter*innen der Fabrik von Productos Florida SA in Almassora, Valencia (Spanien) im unbefristeten Streik. Ihre Hauptforderung ist, dass alle scheinselbständigen Arbeiter*innen sofort reguläre Arbeitsverträge erhalten – und damit eine Reihe grundsätzlicher Arbeitsrechte.

Ende Februar wurde von der Belegschaft ein Streik-Camp vor den Toren der Fabrik errichtet, Teile der Belegschaft gingen sogar in den Hungerstreik. Dazu organisierte die Belegschaft Kundgebungen und Demonstrationen, u.a. auch in Barcelona (Sitz des Mutterkonzerns, Servicarne Cooperative) und Madrid (Sitz des Arbeitsministeriums).

Durch die Corona-Pandemie war die Belegschaft nun jedoch gezwungen das Camp abzubauen, Kundgebungen und Streikposten einzustellen und auch den Hungerstreik zu beenden. Nichtsdestotrotz wird der Arbeitskampf weiterhin von 95% der Betroffenen fortgeführt. Für die großteils migrantischen Arbeiter*innen bedeutet das z.T. Obdachlosigkeit, mangelnde gesundheitliche Versorgung, bei Andauern der Auseinandersetzung auch zunehmend die drohende Abschiebung. Um so mehr brauchen die Kolleg*innen unsere Solidarität, z.b. durch Spenden für die Streikkasse, aber auch durch öffentlichen Druck.

Unterstützt werden die Streikenden von ihrer Gewerkschaft CNT https://www.cnt.es/ (einer spanischen Schwestergewerkschaft der FAU in der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaftsinternationale IKA https://www.icl-cit.org/).

Als FAU Stuttgart unterstützen wir den Streik ganz praktisch. Dafür haben wir Solidaritätsgeld gespendet und Protestmails an das Unternehmen geschrieben. Um auf den Streik und die unwürdige Arbeitssituation der Arbeiter*innen in Valencia aufmerksam zu machen, haben wir außerdem dem spanischen Generalkonsulat in Stuttgart einen Protestbrief eingeworfen.

Mehr Infos zum Streik und ein Spendenkonto findest du hier:
https://www.fau.org/artikel/fuellt-die-streikkasse-migrantischer-hunger-streik-in-valencia-geht-in-die-8-woche


Corona

Wegen der aktuellen Krise fallen vorerst alle öffentlichen Treffen und Termine der FAU Stuttgart aus. Das gilt auch für die gewerkschaftliche Beratung. Wir sind aber trotzdem bei Problemen auf Arbeit für euch da. Meldet euch gerne jederzeit per Messenger unter der Nummer 0160 95197714. Telefonisch sind wir unter dieser Nummer immer am 1. Mittwoch des Monats von  19 bis 20 Uhr erreichbar. (Also zu den normalen Zeiten der gewerkschaftlichen Beratung). Außerdem könnt ihr uns per Mail an faus-beratung@fau.org schreiben.

Nützliche Infos zu Corona findet ihr hier:

https://www.fau.org/artikel/corona

Und nützliche Tipps etc wurden von der FAU Jena hier zusammengestellt:

https://jena.fau.org/2020/03/26/coronakrise-was-tun/


“In Krisen wie der aktuellen Coronakrise merkt man besonders deutlich, dass die Menschen unten zusammenhalten müssen, um durchzukommen und ihre Interessen zu verteidigen. Dafür sind Gewerkschaften besonders gut geeignet. Gerade alternative Basisgewerkschaften wie die FAU bieten nicht nur Rechtsschutz und Beratung, sondern auch tatkräftige gegenseitige Hilfe unter den Mitgliedern an. Wer jetzt Gewerkschaftsmitglied wird, tut nicht nur etwas im eigenen Interesse, sondern stärkt die gesamte Organisation und hilft so mit, die Sache der Arbeiter*innen insgesamt noch besser zu vertreten.” (FAU Jena)

Jahresfeier wieder gut besucht

Auch dieses Jahr haben wir uns zu Jahresbeginn zusammengefunden, um gemeinsam auf das letzte Jahr der FAU Stuttgart zurückzublicken. Wir haben ein reichhaltiges Büffet vorbereitet, bei dem alle voll zugeschlagen haben. Danach hat man sich viel mit alten und neuen Mitgliedern und Interessierten ausgetauscht. Dabei ist es immer besonders schön wenn Leute kommen, deren Gesichter man sonst nicht so häufig sieht. Die Jahresfeier ist eine gute Gelegenheit sich in offenem Rahmen mit uns zu unterhalten.


 

 

 

 

 

Wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Jahr mit euch allen!

Erfolg im Pflege- und Betreuungsbereich

Der Fachkräftemangel im Pflege- und Betreuungsbereich ist schon längere Zeit kein Geheimnis mehr. Die großen Wohlfahrtsverbände sahen schon vor 10-15 Jahren voraus, dass bis 2020 nicht nur in ländlichen Regionen massiv Fachkräfte aus diesem Bereich fehlen werden – diese Entwicklung betrifft auch bevölkerungsreiche Ballungszentren wie die Region Stuttgart. Immer mehr nicht besetzte Arbeitsstellen bleiben natürlich auch den auf professionelle Unterstützung angewiesenen Menschen in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Betreuungseinrichtungen und deren Angehörigen nicht verborgen – von den direkt betroffenen Pflege- und Betreuungskräften ganz zu schweigen.

Dass die Situation für alle Betroffenen auf die ein oder andere Weise schwierig ist, steht fest:

  • Für die auf Unterstützung angewiesenen Menschen ist sie oftmals schlicht und ergreifend gesundheitsgefährdend;
  • Für die sich kümmernden Angehörigen ist es belastend, wenn Fragen auftauchen, ob der oder die Angehörige wohl noch gut versorgt ist in der Einrichtung;
  • Das Pflege- und Betreuungspersonal erlebt den Personalmangel im Arbeitsalltag als aufreibend, höchst stressig und mit den eigenen ethischen Ansprüchen nicht mehr vereinbar. Die in den letzten Jahren und Jahrzehnten steigende Arbeitsverdichtung im sozialen Bereich wird dadurch noch einmal deutlich verschärft.
  • Für immer mehr Menschen, die aktuell (noch) nicht auf die Betreuungs- und Pflegeleistungen angewiesen sind, wächst (sorgenvolle) Ungewissheit: Wie wird die Situation aussehen, wenn ich selbst ins Krankenhaus muss oder pflegebedürftig werde?
  • Für die Unternehmensleitungen stellt sich die Lage ambivalent dar: Sie können einerseits Personalstellen aufgrund mangelnder (geeigneter) BewerberInnen nicht besetzen. Damit können sie für diese Zeiträume Personalkosten einsparen ¹. Andererseits wird die Situation des Fachkräftemangels für sie zunehmend lästig – wenn das Gewährleisten der Grundversorgung zum Problem wird. Wenn also der Betrieb der Einrichtung gefährdet wird. Oder wenn das angestellte Personal, die auf Unterstützung angewiesenen Menschen oder deren Angehörigen Druck auf die Unternehmensleitung ausüben.

Prekäre Arbeitssituationen aufgrund von Personalmangel müssen dabei nicht nur zu individuellen Kündigungen und damit Vereinzelung der Beschäftigten führen ². Mittels gemeinsam getragener Absprachen können stattdessen kollektiv Erfolge für das gesamte Personal erreicht werden, wie das Beispiel eines Mitglieds der FAU Stuttgart zeigt:

In einer sozialen Pflege- und Betreuungseinrichtung wurde die Arbeitssituation aufgrund der mehrere Monate andauernden personellen Unterbesetzung immer schwieriger: Permanenter Stress, eine hohe Arbeitsverdichtung und (daraus resultierend) ein hoher Krankenstand unter den KollegInnen waren neben dem Drei-Schicht-System Teil der Ausgangslage. Das es so nicht länger weitergehen konnte, stand fest. Die KollegInnen redeten miteinander über ihre Arbeitsbedingungen und über mögliche Schritte, wie sie handeln könnten. Auch die gewerkschaftliche Beratung und der Erfahrungsschatz der FAU Stuttgart halfen ihnen in dieser Situation weiter. Letztlich entschieden sich die KollegInnen einerseits für eine kollektive Überlastungsanzeige ³ (die von 90% der KollegInnen unterzeichnet war). Andererseits war eine durchdachte und gut vorbereitete Gesprächsstrategie für die anstehenden Treffen mit der Unternehmungsleitung wichtig.

Nach den Gesprächen zwischen Mitarbeitenden und Unternehmensleitung konnten einige Verbesserungen errungen werden: Mehr eingeplante Personalstellen, Ausweiten der Stellensuche und gleichzeitig attraktivere Rahmenbedingungen für potentielle BewerberInnen durch bessere Bezahlung aller und mehr Urlaubstage für Schichtarbeitende. Zusätzlich wurden Möglichkeiten erarbeitet, wie das Personal entlastet werden kann. Außerdem wurde eine weitere Stelle geschaffen im Bereich der Hauswirtschaft/Haustechnik, die für zusätzliche Arbeitsentlastung für das bisherige Personal sorgen soll. Diese neue Stelle konnte auch sofort besetzt werden.

Dass die Forderung nach mehr Arbeitsstellen bei Personalmangel und Arbeitsverdichtung keine einfache Lösung der Probleme darstellt, ist klar. Denn wenn es regional (sowie bundesweit) für die vielen unbesetzten Personalstellen im Pflege- und Betreuungsbereich zu wenig Fachkräfte gibt, können die Unternehmensleitungen auch durch größere und ehrliche Bemühungen nicht so einfach neues Personal finden. Wie das gerade beschriebene Beispiel vor Ort zeigt, braucht es kreative Lösungen – Voraussetzung dafür sind KollegInnen, die zusammen halten, sich absprechen und den Rückhalt einer Gewerkschaft im Rücken haben.

Fußnoten:
1: In vielen Bereichen im Pflege- und Betreuungsbereich stellen die Personalkosten der höchste Kostenfaktor für die Unternehmen dar.
2: Auch wenn viele Beschäftigte dies Option als (kurzfristigen) Ausweg als erstes in Betracht ziehen.
3: Mit einer Überlastungsanzeige kann formlos darauf hingewiesen werden, dass das vorgegebene Arbeitspensum aktuell nicht zu erfüllen ist.


Du hast Probleme auf der Arbeit? Du bekommst Deinen Lohn nicht? Du hast Fragen zu Deinem Arbeitsvertrag? Du möchtest Dich mit Deinen Kollegen organisieren? Du wurdest gekündigt?

Komm zur Gewerkschaftlichen Beratung!

Jeden 1. Mittwoch im Monat zwischen 19 und 20 Uhr findet im Stadtteilzentrum Gasparitsch die kostenfreie Beratung der Freien Arbeiter Union (FAU) Stuttgart für alle lohnabhängig Beschäftigte statt.

Mehr Infos: https://stuttgart.fau.org/events/gewerkschaftliche-beratung-2020-01-01/


“Wie Wir Lernen Kämpfe zu Gewinnen” …

… ist der Titel und Inhalt eines Seminars, an dem wir als FAU Stuttgart teilnehmen. Das Seminar findet Online statt aber wir treffen uns im Stadtteilzentrum Gasparitsch um gemeinsam zu lernen und uns auszutauschen und sind offen für alle Interessierten. Bei Interesse freuen wir uns über eine kurze Anmeldung an faus-kontakt@fau.org.

Schaut für weitere Infos gerne hier: https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/ELDFI/

Die Termine sind ab dem 29. Oktober immer dienstags von 18:30 bis 20:00 Uhr.

    • Lecture 1: 29. Oktober
    • Lecture 2: 12. November
    • Lecture 3: 19. November
    • Lecture 4: 26. November

https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/ELDFI/

Uniontour

Nähfabriken in Asien

Vortragstour mit Arbeiterinnen aus Indonesien und Sri Lanka

Dian von der feministischen Gewerkschaft Inter-Factory Workers’ Federation (FBLP) aus Indonesien und Chamila vom Dabindu Collective aus Sri Lanka werden einen Vortrag halten. Dabei wird es hauptsächlich um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Näherinnen gehen. Insbesondere berichten sie über Gewalt gegen Frauen sowie von aktuellen Arbeitskämpfen.

Anschließend wollen wir besprechen, was wir vor Ort tun können, um die Kämpfe der Näherinnen zu unterstützen.

Der Vortrag wird auf Englisch gehalten und auf Deutsch übersetzt.

Die Gewerkschaft FBLP setzt sich für die Entfristung von Arbeitsverträgen ein. Zudem ist sie aktiv gegen Diskriminierung von und sexualisierte Gewalt gegen Arbeiterinnen und LGBTQ. Als Teil ihrer Arbeit hat die FBLP ein Radioprogramm etabliert. Dieses wird von Arbeiterinnen für Arbeiterinnen betrieben und heißt Marsinah Radio.

Das Dabindu Collective ist eine feministische Organisation, in der sich Näherinnen in der Freihandelszone von Katunayake solidarisch organisieren und sich gemeinsam für ihre Interessen einsetzen. Ihr Schwerpunkt ist das Empowerment von Näherinnen durch Bildungsangebote sowie die Propagierung von Menschenrechten für lohnabhängige Frauen.

Stuttgart
21. Oktober, 19 Uhr Stadtteilzentrum Gasparitsch, Rotenbergstraße 125

Eine Veranstaltung der FAU Stuttgart in Kooperation mit Frauenkollektiv Stuttgart und Frauenverband Courage. Eintritt frei!

Terminplan:

07.10. – Hamburg
09.10. – Hannover
11.10. – Köln
12.10. – Münster
14.10. – Marburg
16.10. – Dresden
17.10. – Halle
18.10. – Jena
20.10. – Kaiserslautern
21.10. – Stuttgart
23.10. – Freiburg
25.10. – Paris (CNT-F)
27.10. – Madrid (CNT)
29.10. – Barcelona (CNT)

Am 1. Mai auf die Straße für kollektive Arbeitszeitverkürzung!


Mehr als 100 Jahre nach den Kämpfen der Arbeiterklasse um den 8-Stunden-Tag, kommen Auseinandersetzungen um Arbeitszeit in gewerkschaftlichen und politischen Kämpfen wieder verstärkt eine große Bedeutung zu. Diese sind, wie auch Kämpfe um Lohn, Ausdruck des Interessenwiderspruchs zwischen der Klasse der Lohnabhängigen und der Klasse der Kapitalisten. Für Lohnabhängige ermöglicht eine Verringerung der Arbeitszeit (bei vollem Lohnausgleich) eine generelle Steigerung der Lebensqualität. Von Unternehmerseite aus besteht prinzipiell wenig Interesse an kürzeren Arbeitszeiten. Denn Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohn- und Personalausgleich verringern das Angebot an billigen Arbeitskräften und damit auch die Macht der Unternehmen, Arbeitsbedingungen diktieren zu können. An dieser Logik hat sich bis heute nichts geändert.

Es überrascht daher nicht wirklich, dass es in den letzten Jahren immer wieder Forderungen von Arbeitgeberseite gab, Regelungen und Mindeststandards zur Arbeitszeit zum Nachteil der Lohnabhängigen aufzuweichen. Entsprechend gab es in den letzten Jahren einige medial viel beachtete Versuche von Arbeitgeberseite, diese Forderungen mit Hilfe der Politik in die Tat umzusetzen. Bekannte Beispiele sind das sogenannte „loi El Khomri“ in Frankreich, oder das neue Arbeitszeitgesetz in Österreich, die jeweils die maximale legale Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden angehoben haben. Auch in Deutschland können durch das sogenannte „Pforzheimer Abkommen“ (2004) tariflich festgelegte Mindeststandards, insbesondere auch zur Arbeitszeit, temporär ausgehebelt werden. All diese Beispiele haben eines gemeinsam: es handelt sich um Angriffe der Unternehmer auf die Interessen der Lohnabhängigen. Und wo bleibt ihre Antwort?

Tatsächlich machte 2018 ein Tarifabschluss der IG Metall Schlagzeilen, mit dem (unter bestimmten Bedingungen) ein Recht auf eine Reduzierung der Arbeitszeit eingeführt wurde. Diese offensive Forderung nach Arbeitszeitverkürzung wurde (auch international) sehr positiv aufgenommen. Hierzulande, insbesondere innerhalb der Gewerkschaftslinken, gab es – bei allen positiven Aspekten – auch kritische Stimmen. Denn genau genommen handelt es sich dabei um ein individuelles Recht auf befristete Teilzeit. Die Arbeitszeitreduzierung erfolgt zum Großteil ohne Personal- und Lohnausgleich. Lediglich Personen, die in Schicht arbeiten oder Leute, die sich um kleine Kinder oder Familienangehörige kümmern, bekommen einen finanziellen Ausgleich. Die Reduzierung der Arbeitszeit Einzelner ist oft daran gekoppelt, dass ein bestimmter Anteil der KollegInnen mehr arbeitet. Anstatt kollektive Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu fordern, stehen sich nun also individuelle Interessen der ArbeitnehmerInnen gegenüber. Was können wir also tun?

Als kämpferische GewerkschafterInnen müssen wir endlich wieder in die Offensive gehen und reale Arbeitszeitverkürzungen fordern, d.h. kollektiv und bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Wir sollten dabei nicht auf bessere Gesetze durch politische Parteien hoffen, denn wie die oben genannten Beispiele zeigen, entscheiden diese viel zu oft im Sinne der Unternehmensinteressen anstatt derer der ArbeiterInnen. Stattdessen sollten wir den gewerkschaftlichen Kampf in den Mittelpunkt stellen. Nur wenn wir gemeinsam und organisiert unsere Interessen gegenüber den Unternehmen vertreten, können wir dauerhafte Verbesserungen für alle erkämpfen.

Geht mit uns am 1. Mai auf die Straße für kollektive Arbeitszeitverkürzung! Ihr findet uns wie immer bei den schwarz-roten Fahnen.

10:00 Uhr: Gewerkschaftsdemo, Marienplatz
11:30 Uhr: Revolutionäre 1.Mai-Demonstration, Karlsplatz
14:00 Uhr: 1. Mai Fest im Stadtteilzentrum Gasparitsch, Stuttgart Ost

Wir sind Teil des Revolutionären 1. Mai Bündnis Stuttgart.