Die FAU Stuttgart feiert den erfolgreichen Abschluss der VeloCARRIER-Kampagne. Nach sieben Monaten voller Gerichtsverhandlungen, Demonstrationen, Pressearbeit und Selbstorganisation einigten sich die von einer Massenentlassung betroffenen Arbeiter:innen der ecoCARRIER AG/veloCARRIER GmbH außergerichtlich auf die Zahlung aller ausstehenden Löhne und zusätzlicher Abfindungszahlungen. Mit zwei Demonstrationen hatte die Stuttgarter Gewerkscharft der FAU die Kolleginnen und Kollegen aus Berlin bei ihrem Arbeitskampf unterstützt, denn der Firmensitz dieser Firma befindet sich in Tübingen.
Am Mittwoch, den 21.06., war es soweit. In den Räumlichkeiten der Freien Arbeiter:innen Union (FAU) Berlin einigten sich die Verhandlungsführerin der FAU mit Geschäftsführer Raimund Rassillier, auf Abfindungszahlungen von etwa einem Monatslohn pro Arbeiter*in und die Zahlung der ausstehenden Löhne.
Bis Dezember hatten die Fahrer:innen unter anderem Gemüsekisten für REWE und andere Unternehmen ausgeliefert. Die Arbeitsbedingungen wurden trotz gegenteiliger Versprechen zunehmend schlechter und gefährlicher, so wurden die Fahrräder nicht gewartet, die Löhne nicht regelmäßig oder falsch ausgezahlt, die Schichtplanung spontan geändert. Als Grund benannte ecoCARRIER AG/veloCARRIER GmbH in der Regel zufällige Fehler und Ausnahmen, die zeitnah behoben werden sollten. Die Standortleitung Berlin kündigte aufgrund der unüberwindbar schlechten Arbeitsbedingungen und ihrer eigenen Überlastung. Kurz nachdem die Beschäftigten eine Betriebsratswahl begonnen hatten, reagierte Rassillier mit der Ankündigung der Schließung des Berliner Standorts. Die Kontaktaufnahmen einzelner Arbeiter:innen ignorierte das Unternehmen konsequent, so auch gemeinsam formulierte Briefe. Die ersten zehn Gütetermine vor dem Arbeitsgericht wurden von seiten der ecoCARRIER AG/velo CARRIER GmbH kurzfristig verschoben. Trotz dieser Verzögerungstaktik hielten die Arbeiter:innen an ihrem Anliegen fest, gründeten die Betriebsgruppe ecoCARRIER innerhalb der FAU und organisierten unter anderem eine Fahrraddemo zu einem der Arbeitsorte sowie eine Demonstration vor REWE in Neukölln.
„Zu jedem Gerichtstermin traten wir als Gruppe auf. So konnten wir zunächst die Aufnahme außergerichtlicher Verhandlungen erwirken und im Weiteren den Druck aufrechterhalten, um die Verhandlungen zu einem Erfolg zu führen.“
Helen W, Fahrerin und Teil der FAU-Betriebsgruppe.
Die außergerichtliche Einigung ist nicht der einzige Erfolg: So standen die entlassenen Arbeiter:innen über sieben Monate zusammen und traten solidarisch füreinander ein. Wissen über Arbeitsrecht und den Ablauf einer Kündigungsschutzklage wurde gesammelt. Dieser Prozess stärkte ihr Bewußtsein als Arbeiter*innern und gemeinsam kämpfende Kolleg*innen. Mitglieder der FAU traten wiederholt als Beistand in Güteverhandlungen auf und wurden vom Gericht als solche anerkannt. Die verschiedenen Presseberichte über diesen Kampf gegen Entlassungen und schlechte Behandlung erhöhten die Aufmerksamkeit für Missstände in der Branche.
„Dieser Sieg ist ein Beweis dafür, dass ungerechtfertigte Entlassungen und schlechte Arbeitsbedingungen nichts sind, das Arbeiter:innen hinnehmen und ertragen müssen. Wenn wir uns als Arbeiter:innen organisieren und uns wehren, sind wir schwer zu besiegen. Dieses Wissen können wir in zukünftige Arbeitsverhältnisse mitnehmen.“
Anna B, Fahrerin und Teil der FAU-Betriebsgruppe.
Auch die FAU Stuttgart wertet den Abschluss der Verhandlungen als Erfolg. Die Einigung zwischen der Gewerkschaft und dem Geschäftsführer Rassillier erfolgte in der Woche nach der Demonstration der FAU in Tübingen.
Die Kolleg*innen aus Berlin gehen davon, dass der Druck durch die Demonstration in Tübingen definitiv dazu beigetragen hat, ein so gutes Ergebnis zu erzielen. Die Sektion Tübingen-Reutlingen der FAU Stuttgart befindet sich im Aufbau und soll in Zukunft zur Gründung einer eigenständigen, lokalen Gewerkschaft führen. Für sie war es die erste Kampagne, die sie durchgeführt haben.
„Wir sind sehr glücklich, direkt solch einen Erfolg feiern zu können. Das Ergebnis zeigt die Wirkmacht der Freie Arbeiter*innen Union im besonderen und kollektiver Arbeitskämpfe im allgemeinen. Wir laden alle Arbeiterinnen und Arbeiter ein der FAU beizutreten!“
Christoph F, aktiver Gewerkschafter, FAU Sektion Tübingen